Perroud, Mélanie (2007): „Are Brazilian Nikkei a Minority in Japan? An Analysis Based on Deleuze and Guattari’s Concept of Minor Literature“. In: Pan-Japan. The International Journal of the Japanese Diaspora 5: 1&2. 1–22.
Japanischstämmige Brasilianer (Nikkei) und deren Familien bilden mit etwa 290,000 Personen Japans drittgrößte Minderheit. Die Besonderheit dieser Gemeinschaft liegt neben der von der japanischen Politik und Wirtschaft ab den 1990er Jahren massiv geförderten Einwanderung vor allem in ihrem Leben in der japanischen Gesellschaft, in der sie als ethnische Verwandte, aber als sprachlich und kulturell anders empfundenen werden.
Mélanie Perroud stellt den rein rechnerisch ausgedrückten Status der Nikkei als Minderheit in Frage und sucht nach alternativen Sichtweisen auf die Untersuchung von „Minority“. Sie baut dabei auf das Konzept der „Minor Literature“ von Gilles Deleuze und Félix Guattari (1975) auf, die beispielhaft anhand der Literatur Franz Kafkas die Gattung einer „highly creatice literature of a minority“ (20) in der Sprache der Mehrheit herausarbeiteten.
In der konkreten Anwendung der drei Kategorien von Deleuze und Guattari (Deterritorialisierung von Sprache und Identität, durchgehend politischen Charakter der Literatur und die Formulierung von kollektiven Werten) auf die Situation der brasilianischen Nikkei kann Perroud auf die unterschiedliche Auseinandersetzung mit der Sprache der Mehrheit in den Nikkei-Gemeinschaften in Japan und Brasilien, Identitätsbildung durch traditionelle Feste mit Massencharakter oder dem besonderen Status der Nikkei als Politikum verweisen. Aufschlussreich ist Perrouds Analyse des -auch durch die Anwesenheit vieler Forscher beschleunigten- Nikkei-Diskurses innerhalb der Nikkei-Gemeinschaft, in der das Bild des „guten“, integrationswilligen Nikkei dem des „schlechten“, unangepassten Nikkei gegenübergestellt wird.
Perrouds Bezug auf „Minor Literature“ liefert in ihrer kompakten Form einen guten Überblick über die Situation der brasilianischen Nikkei in den Bereichen Sprache/Identität, politische Repräsentation und Wertevorstellungen. Ihr Ansatz, diese Ergebnisse auch unter der Verwendung eines dreißig Jahre alten, literaturwissenschaftlichen Konzept zu erarbeiten, ist durchaus übertragbar, wenn auch in seiner Reichweite auf die genannten Bereiche beschränkt.
PB