Fan Costuming und Cosplay zu Star Wars und Anime

heinrich cosplayHeinrich, Karen (2013): Fan Costuming und Cosplay zu Star Wars und Anime: Die kulturelle Praxis von Fans japanischer und amerikanischer Populärkultur. Giessen: Longtai Verlag. 366 Seiten. 34,80€. ISBN 978-3-938946-23-7

(Dissertation im Fachbereich Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation der Universität Hildesheim)

 

 

Cosplay – das Verkleiden als ein Charakter aus populärkulturellen Werken, meist im Rahmen einer Fan-Convention – ist seit etwa der Mitte der Milleniumsjahre in Deutschland kein fremder Begriff mehr. Über die letzten Jahre sind  zahlreiche Fan-Events organisiert worden und damit erhielt auch das Hobby Cosplay einen immensen Popularitätszuwachs. Auf Anime-Conventions gibt es schon lange Kostümwettbewerbe, aber jüngst gibt es diese auch auf der Videospielmesse Gamescom oder den Frankfurter und Leipziger Buchmessen, womit die Masse an kostümierten Besuchern ebenfalls weiter zugenommen hat.

Karen Heinrich untersucht Cosplay schon seit einigen Jahren und sie ist in der Szene auch keine Unbekannte. So wurde sie zum Beispiel im Rahmen der Berichterstattung zur Deutschen Cosplaymeisterschaft, die seit 2007 von der Frankfurter Buchmesse und Animexx e.V. in Zusammenarbeit mit einigen Sponsoren veranstaltet wird, vom Arte-Magazin Tracks interviewt. Sie schrieb bereits ihre Diplomarbeit über Cosplay und verarbeitete in der Folge ihr 2007 und 2008 gesammeltes empirisches Material zu einer umfassenden Doktorarbeit zum Thema Costuming und Cosplay im interkulturellen Vergleich.

Dabei legt Karen Heinrich den Fokus bewusst nicht auf eine Gegenüberstellung zwischen Cosplay und Costuming in Deutschland und den USA, sondern zieht eine vergleichende Linie nur, wo sie aus thematischer Sicht relevant ist: Sie vergleicht Costuming (beispielsweise das Verkleiden als Charaktere aus dem Star Wars Expanded Universe)  mit Cosplay (das Verkleiden als Charaktere aus japanischem Anime oder Videospielen, die der Anime-Ästhetik entlehnt sind). So wird nicht eine Gegenüberstellung der Fans nach ihrer Herkunft vollzogen, sondern vielmehr ein Vergleich ihrer Fanpraktiken auf Basis ihrer selbstgewählten Zugehörigkeit – ihrem Fanobjekt und Fandom.

Das gesammelte Material umfasst eine teilnehmende Beobachtung mit Feldaufenthalt in den USA und 15 qualitative Interviews mit deutschen und amerikanischen Costumern und Cosplayern, die 2007 und 2008 durchgeführt wurden. Die konkrete Fragestellung der Arbeit entwickelt Karen Heinrich in Abgrenzung zu bereits vorhandenen Untersuchungen zu Cosplay von Bacon-Smith (2000), Duchesne (2005), Eisenbürger (2003) und Joseph-Witham (1996). Im Gegensatz zu diesen Arbeiten, die jeweils nur einen Teil des Prozesses des Costuming und Cosplays beleuchten (etwa das Tragen des Kostüms), bemüht sich Karen Heinrich um eine ganzheitliche Betrachtung der Spannungsfelder, in denen diese kulturellen Artefakte entstehen, d.h. den gesamten Entstehungsprozess des Kostüms als Fanwerk, die Textarbeit, die die Fans dabei leisten, ihre Rezeption der populärkulturellen Texte und die Produktion ihrer eigenen Interpretationen. Ihre zentral formulierten Fragen sind:

„Wie beeinflusst und strukturiert der jeweilige populäre Text die Kostümpraxis? Welche spezifischen Umgangsweisen mit dem Text zeigen die Cosplayer und Costumers aus den verschiedenen Fandoms (um japanische und amerikanische Populärkultur), und wie machen sie auch kulturell ‚fremde’ Texte zu ihren eigenen?” (17)

Im ersten Teil des Buches wird Cosplay dahingehend besonders als textbezogene Praxis der Fans verstanden, also eine interpretative Handlung, die ähnlich wie andere Fanwerke verstanden werden kann. Am Beispiel des Star Wars Expanded Universe zeigt Karen Heinrich etwa, wie Fans die eigene Interpretation des gewählten Charakters, den sie durch ihr Kostüm verkörpern, in ein mit anderen Fans geteiltes Universum logisch einbinden.

Cosplay und Costuming werden zudem als soziales Hobby auf Conventions und im Internet verortet. Während die Fan-Events als wichtige Gelegenheiten gelten, um das Kostüm zu inszenieren, so erwächst der Sinn für eine Gemeinschaft auch in der alltäglichen Kommunikation mit anderen Cosplayern und Costumern. Dies findet durch die Proliferation des Internets mehr und mehr in einem Raum statt, der gänzlich virtuell ist und damit kulturelle und nationale Grenzen überschreitet (258).

In der Thematisierung von Cosplay als Selbstdarstellung und Identitätsarbeit von Fans wird schließlich auch ein interessanter Unterschied zwischen Anime-Cosplay und Star Wars-Costuming herausgearbeitet: Während Cosplayer meist versuchen, ihre eigene Persönlichkeit durch Wahl des Kostüms darzustellen oder zu verhandeln (195), ist es insbesondere bei den Star Wars-Costumern, die in die Kostüme – und damit Militäruniformen – von Imperialen schlüpfen ein Anreiz, hinter der Maske zu verschwinden und mit vielen anderen gleich kostümierten Fans gemeinsam ein stimmiges Bild darzustellen (170).

Anhand ihrer Interviews zeichnet Karen Heinrich mithilfe von Fiskes „kultureller Ökonomie des Fandoms” zudem nach, wie Cosplayer und Costumer sich innerhalb ihrer Gemeinschaft eine Szeneidentität erarbeiten und durch den Erwerb von gewissen Fertigkeiten kulturelles Kapital erwirtschaften können.

Die Arbeit von Karen Heinrich stellt so eine erste umfassende Arbeit zu Cosplay und Costuming dar, die nicht nur Kostüm als fertiges Fanwerk untersucht, sondern darüber hinaus das Spannungsfeld von Textarbeit, Interpretation, Verortung der eigenen Perspektive in einer Gemeinschaft und Kreativität, das den Entstehungsprozess eines Kostüms bestimmt. Cosplay und Costuming sind so als Beispiele für transnationale und transkulturelle Fandoms zu sehen, sowie als Beispiele für eine posttraditionale Gemeinschaft im Zeitalter des Internets (311). Dies macht die Arbeit auch interessant für Leser, die sich mit der Untersuchung von Fandom im transnationalen Vergleich beschäftigen.

Karen Heinrichs Herangehensweise bietet so etwa auch Inspiration für eine Untersuchung der japanischen Cosplay-Gemeinschaft. Aus ihren Interviews arbeitete sie vor allen Dingen die Anschauung von Japan – und Cosplay in Japan – als ein idealisiertes aber auch fremdes und exotisches Bild unter amerikanischen und deutschen Cosplayern heraus.

Manchmal erschlägt die Arbeit den Leser allerdings etwas. So wird die konkrete Fragestellung beispielsweise erst auf den ersten 24 Seiten erarbeitet. Dies ist aber auch der Komplexität der Fragestellung geschuldet – schließlich beschäftigt sich die Arbeit nicht bloß mit der Fangemeinschaft als Rezeptionsgemeinschaft, sondern die Fanpraxis wird in jedem Kapitel differenziert und umfassend betrachtet. Karen Heinrich erfasst den „Maelstrom”, von dem Fiske redete, als er seine Herangehensweise an Fankultur konzipierte (1992b: 359) und verlangt so ihrem Leser auch uneingeschränkte Aufmerksamkeit ab.

Lobend zu erwähnen sei außerdem, dass Karen Heinrich ihre Interviewpartner außerordentlich ausfürlich zu Wort kommen lässt und deren eigene Erfahrungen dem Leser meist wörtlich schildern lässt, anstatt zu paraphrasieren. Unter den Interviewpartnern befinden sich zudem interessante Szenepersönlichkeiten wie Yaya Han und Scruffy Rebel, die in der diesjährigen amerikanischen Reality-TV Sendung Heroes of Cosplay zu sehen waren. Die vielen von Karen Heinrich selbst geschossenen Fotos runden das Buch ab, das trotz komplexer Fragestellung stets interessant und ansprechend bleibt, auch für eine nichtwissenschaftliche Leserschaft.

KH – Katharina Hülsmann

 

Literatur:

Fiske, John (1992a): „The Cultural Economy of Fandom”. In: Lewis, Lisa A. (1992): The Adoring Audience. New York, London: Routledge, S. 30–49.

Fiske, John (1992b): „Audiencing: A cultural studies approach to watching television”. In: Poetics 21 (1992), S. 345–359.